Doaswald einst und jetzt

Im Schlitten bergan

Auf dem Weg zum Schlittenlift

Wir sind gerade zur Lärchenhütte in St.Oswald inmitten wunderschönen Nockberge unterwegs. Heute haben wir etwas besonderes geplant. Wir machen uns auf die Suche nach Etwas, das längst vergessen scheint und seit seiner Stilllegung im Jahr 1962 im Wald oberhalb der Lärchenhütte versteckt, vor sich hin schlummert.

Eine Waldschneise verrät heute noch wo man ihn finden kann. Etwa 20 Minuten dauert unser Anstieg samt Suche nach den Überresten dieses Stückchens Liftgeschichte in den Nockbergen.

Etwa 300 Meter oberhalb der Lärchenhütte, inmitten eines lichten Lärchen- und Fichtenwaldes verrät eine markante Zirbe, dass ich mich schon ganz in der Nähe befinde. Plötzlich stolpere ich über eine große rostrot-braune Metallplatte, welche flach am Boden unter den Latschen und dem Moos verborgen liegt. Nach kurzem Innehalten jauchze ich laut: “Da ist der Schlitten!!” Denn damit hätte ich nicht gerechnet. Von einigen Fotos, welche Toni Prettenthaler mir letzten Sommer gezeigt hatte, wusste ich ungefähr was noch alles zu finden sei. Jedoch hatte ich nicht mit dem Schlitten selbst gerechnet. Da liegt er nun, wie ein großes, überbreit-urtümliches Snowboard aus Eisen.

Hier befindet sich einer der ersten Skilifte der Region Nockberge, der im Jahr 1950 erbaute Schlitten-Pendellift.

Sofort setzen wir uns auf die Überreste und versuchen uns vorzustellen, wie es wohl gewesen sein mag, auf dem Gefährt den Berg hinauf gezogen zu werden, um anschließend durch den lichten Lärchenwald hinunter zu fahren.

 

Bei einigen Gesprächen im Gasthof Hinteregger erfahre ich so manche Geschichte(n) aus den alten Tagen.

Der Kleinsasser Werner aus Radenthein weiß noch zu berichten:”Ja wir waren als Jugendliche oft dort drinnen! Wenn wir den Bus bis Kirchheim wieder mal verpasst hatten, gingen wir sogar von Radenthein zu Fuß bis zum Falkert Schutzhaus. Du hast ja keine Ahnung wie schwer die alten 2 Meter langen Bretter waren! Ein paar Wenige von uns hatten schon ein Moped und fuhren mit den Ski auf den Rücken geschnallt bis sie nicht mehr weiter kamen. Es gab zwar schon eine Straße bis nach St.Oswald aber noch keine Busverbindungen bis ganz hinein. Wir waren oft von der Schule aus dort. Die Anfänger mussten erstmal auf der Hoferwiese neben dem Falkert Schutzhaus bretteln bevor sie woanders fahren durften. Den Schlittenlift nutzten viele als zusätzliche Aufstiegshilfe um von dessen Bergstation weiter auf den Falkert oder umliegende Gipfel der Nockberge zu gelangen.
Ein mal machten wir eine Skitour auf den Mallnock. Wir waren zu zehnt und hatten bei der Abfahrt trotz so manchem Sturz, eine rießen Gaudi. Als wir beim Schutzhaus ankamen, wollte uns der Pertl Rudi allen ein Bier zahlen. Jedoch hat er wohl sein Geldbörserl irgendwo am Berg verloren. Wir machten uns sofort auf den Weg, um es zu suchen. Denn das Bier bezahlte sich schließlich nicht von selbst. Wir hatten auch wirklich Glück, als wir das Geldbörserl dann doch noch in den Ästen der Stauden irgendwo in der Nähe des Schönfeld-Wegs wieder fanden. Ein anderes mal war ich nur alleine unterwegs und bin mit einer Lawine hinunter gerauscht. Ich hatte wiederum großes Glück, dass ich immer an der Oberfläche geblieben bin und irgendwann obenauf im Bachgraben zu liegen kam.

Wenn man sich umhört, erfährt man noch viele Geschichten von damals.

Ein anderer Radentheiner, welcher im Gasthof Hinteregger zu Mittag isst, erinnert sich ebenfalls: „Das waren Zeiten! Ich weiß noch genau, als wir immer mit dem Bus bis Kirchheim fuhren und dann erstmal bis zum Falkert Schutzhaus gehen mussten. Da war man schon müde, bevor der Spaß überhaupt begonnen hat. Dann war da dieser große Metallschlitten, auf den wir uns gesetzt haben und welcher beim Start immer einen enormen Ruck machte und jeden einzelnen von uns eine Sitzreihe nach hinten verfrachtet hat. Bei der anschließenden Abfahrt kam es schon mal vor, dass der Eine oder Andere an einem Baum landete. Das war eine Gaudi!
Bei guten Schneeverhältnissen gab es zwei Schlitten von welchem einer immer bergan und der andere talwärts fuhr. Bis zu 6 Personen konnten gleichzeitig hinauf befördert werden. In anderen Jahren war so wenig Schnee, dass nur einige Schneefelder befahren werden konnten und man nicht mal bis zur Talstation kam. Diese befand sich bei der heutigen Lärchenhütte und war an dem Stein befestigt, welcher auch heute noch vor dem Brunnen liegt. Bei einem Plausch mit Heidi und Mathias auf der Lärchenhütte erzählt uns Mathias, dass sein Großvater damals rund 50 Groschen als Pacht für die Benützung seines Grundstückes bekommen hat. Gebaut wurden das Falkert-Schutzhaus und die Bahn unter anderem vom Ing. Viktor Pretterebner aus Radenthein vom Hinteregger Erwin aus St.Oswald und vielen anderen fleissigen Helfern des Alpenvereins und aus St.Oswald. Betrieben wurde die Bahn vom Alpenverein und freiwilligen Arbeitskräften der damaligen ÖMAG (Österreichisch-Amerikanische Magnesitwerke), welche als Bezahlung Nächtigungsgutscheine bekamen.

Einer musste den Anfang machen.

Der Ortner Sepp durfte den Lift als Erster testen. Zum Glück wurde ein so sportlicher Kerl wie er als Tester ausgewählt. Denn bei der ersten Probefahrt war so wenig Schnee, dass der Schlitten an einem Baumstumpf hängen geblieben ist. Noch heute erzählt er mit einem gewissen Schaudern in den Augen, wie sich allmählich die Spannung des Zugseils immer weiter aufbaute und er noch kurz darüber nachdachte abzuspringen. Zu spät! Als der Schlitten plötzlich nachgab, wurde der Sepp wie durch eine große Schleuder fast 15 Meter den Berg hinauf geschnalzt. Doch wie bei so manch Neuem, konnten zu guter Letzt auch hier die technischen Probleme behoben werden und der Lift erfreute sich alsbald allergrößter Beliebtheit.

Einige Dinge gab es jedoch immer zu beachten.

Nach der letzten Talfahrt musste der Schlitten stets noch einmal Richtung Berg gefahren werden, damit das Seil immer unter Spannung stand. Wenn dies vergessen wurde, kam es schonmal vor, dass das Zugseil am Boden einfror. Dann musste man die folgenden 1-2 Tage damit verbringen, das Seil wieder frei zu bekommen. Unterhalb des Liftes lag auch damals schon das Falkerthaus, welches ein Alpenvereinshaus war. Unter anderem beherbergte es Besucher aus der Region, aber vor allem auch Schüler. Es kamen zudem Studenten aus Wien und sogar Franzosen, die über die UNESCO hierher fanden. Die Schikurse wurden von Ortner Sepp und Greifoner Hans geleitet, welche die Schüler sehr alpin ausbildeten. Vormittags machte man stets eine Skitour auf einen der umliegenden Berge. Erst am Nachmittag durften sie mit dem Lift fahren. Die Schulrennen wurden immer auf der Hoferwiese ausgetragen.

 

Die St.Oswalder Skilehrer Legende Hubert “Hubsi” Aufegger erinnert sich auch gerne an die alten Zeiten zurück:

Die Piste verlief durch den Lärchen- und Fichtenwald. Das einzig freie Stück war die Lifttrasse selbst. Einen Bogen konnte man immer auf der schönen Lifttrasse machen, während man beim Nächsten dann schon schauen musste, wie man zwischen Lärch und Ficht hinaus kommt.

Mit einem breiten lausbubenartigen Grinser erinnert er sich noch gerne an die vielen Streiche zurück. Die St. Oswalder kannten den Lift und das Gebiet in den Nockbergen natürlich besonders gut und wussten genau, wo all die kleineren Bäume standen und wie die Schwünge zu setzen waren, um die vielen Hindernisse zu umgehen. Immer wenn dann ein Neuer hinzukam, oft handelte es sich dabei um einen Radentheiner der ihnen hinterherfuhr, wurde dieser bevorzugt in einen der Bäume geleitet.

Andere Male hängten die Oswalder des Nachts alle Ski in die Lärchen. Natürlich so weit hinauf, wie es nur möglich war. Da kam es schon mal vor, dass eine große Lärche mit 30 Paar Ski behängt war. Selbstverständlich wurden auch die eigenen Ski dazu gehängt, damit der Verdacht auf niemanden fallen konnte.

Verletzte gab es bei diesen Streichen jedoch zum Glück wenige. Die Einzigen, welche sich regelmäßig verletzten, waren die Liftwarte, die mit dem großen und groben Wachalovski Dieselmotor an der Talstation zu kämpfen hatten. Da kam es beim Start des Ungetüms schon mal vor, dass sie die Startkurbel um die Ohren bekamen.

Auch damals gab es schon Wettbewerbe, die unter den Einheimischen der Nockberge ausgetragen wurden und an welchen sich Hubsi und Sepp noch gerne zurück erinnern.

Ein ganz besonderer Wettbewerb in der Region Nockberge war der Touristische Abfahrtslauf:

Der Start erfolgte am Steinnock und man musste zunächst bis zur heutigen Steinhütte fahren. Bei dieser ersten Prüfung ging es darum, möglichst viele Schwünge in den Hang zu setzen. Die Schwünge wurden genau gezählt und kamen schließlich in die Wertung. Danach ging es zur Schrägfahrt in Richtung Hundsfeld, wo es darum ging ein Pflichttor beim Hundsfeldgatter und ein weiteres im Pferfler Filz zu passieren. Das Ziel lag schließlich in der Gegend um die heutige Lärchenhütte, da hier immer schon eine ebene lichte Stelle war, die sich perfekt als Zielraum anbot. Es gab zwei Wertungen. Der Hubsi gewann bei den Jüngeren und Sepp bei den Älteren. Als Preis gab es eine schmackhafte Torte. Jedoch gab es nur eine davon für zwei Gewinner. Hubsi erinnert sich, dass seine Mutter Rosl, welche das Falkerthaus bewirtschaftete, dem Sepp allein die Torte gab.
Noch heute erkennt man etwas Wehmut in seinem Blick, wenn er an die große Gewinnertorte zurück denkt und unser Gespräch mit den Worten beendet:

Die Torte hätte ich wirklich gerne selbst gehabt!

Herzlichen Dank an Sepp Ortner, Hubert Aufegger, Toni Prettenthaler, Werner Kleinsasser, Mathias Steinkellner, Pontasch Eberhard, Gerhard Freundl und den Radentheiner Bergfex für die netten Gespräche und Infos, welche zu diesem Artikel geführt haben. Vielen Dank an Armin Pertl für das zur Verfügung stellen der historischen Fotos, die allesamt aus seinem Buch “Urgestein – Auf den Spuren von Oswin Moro in St.Oswald” entnommen wurden. Die restlichen Bilder stammen vom Autor selbst.

Martin Hinteregger (Familienhotel Gasthof Hinteregger, St.Oswald)

Schreibe einen Kommentar

Ihre Mailadresse wird nicht publiziert. Pflichtfelder sind mit * markiert.

Beitragskommentare