Der Kårståll –
Ein Herzensprojekt

Seit mindestens 200 Jahren thront er schon dort oben, nur zu Fuß erreichbar und wunderbar in den Biosphärenpark Nockberge eingebettet. Unser Kårståll (gesprochen: Korstoll oder Karstall) wurde bereits im Franziszeischen Kataster erfasst was ihm ein so hohes Alter bescheinigt. Durch seine herausfordernde Erreichbarkeit war es auch schon von jeher schwierig diesen zu erhalten. Dennoch hat sich unsere Familie über die letzten Jahrhunderte stets bemüht, dem Verfall des Viehunterstands samt Behirtungsunterkunft entgegen zu wirken.


Durch mündliche Überlieferungen wissen wir, dass es mehrere Jahre dauerte, das Holz für den Kårståll zu schlagen und im Bereich des Hofes (dort wo auch heute unser Biohof steht) vorzubereiten. Anschließend wurde das Bauholz mit Pferden auf die Brunnachhöhe und weiter auf den Mallnock gezogen. Vom Gipfel des 2215 Meter hohen Mallnock wurde das Bauholz wieder auf 2020 Meter Seehöhe hinab gezogen wo der Kårståll in mühevoller Handarbeit aufgebaut wurde.

Unsere Uroma Maria erinnert sich: „Wir haben damals Gerätschaften, Holz, und Salz fürs Vieh mit unseren Pferden Nelly, einer Haflingerstute und Relly, einer Norikerstute zum Kårståll transportiert. Der einfachste Weg führte auf die Brunnachhöhe, weiter auf  den Mallnock und schließlich von Oben hinunter. Nelly war immer schon ein gewieftes und eigensinniges Pferd. Sie wollte so manches mal ihren Kopf durchsetzen. Kurz vorm steilen Anstieg auf den Mallnock wollte sie abdrehen und den gemütlicheren Weg Richtung Rote Burg weiter trotten.“ Aber Maria konnte ihr am Schluss doch noch den richtigen Weg zum Kårståll zeigen.

Der Kårståll ist damals wie heute, ausschließlich zu Fuß erreichbar.

Er dient auch heute noch unseren Rindern als Viehunterstand. Im Frühling/Sommer/Herbst wird die rund 45 ha große Alm von etwa 25 Rindern beweidet.

Als wir jungen Hintereggers (David, Matthias und Martin) den Kårståll das erste Mal bewusst unter die Lupe nahmen, waren wir begeistert. In dem alten Stall fand sich immer noch ein Bett, mitsamt “Fleidnsack” (Schlafsack bestehend aus Jutesack gefüllt mit Getreidespelzen). Weiters fanden wir alte Werkzeuge und Gerätschaften, welche im vorigen Jahrhundert für die Almwirtschaft benötigt wurden. Reste von Heu und eine Futterluke zeugen zudem noch von der Einfütterung während sommerlicher Schlechtwetterkapriolen.

Die Hinterlassenschaften unserer Vorgänger-Generationen dürften vermutlich Großteils auf die 50er bis 70er Jahre zurückzuführen sein. Dies war allerorts eine Zeit großen Umbruchs, als unter anderem auch mit der Almmahd aufgehört wurde. Zudem brachte der aufstrebende Tourismus etlichen Bauern eine zusätzliche Einkommensquelle was zur Aufgabe anderer Tätigkeiten führte. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde in den Sommermonaten, während der Almmahd und während das Vieh auf den Almen war, stets im Kårståll übernachtet.

Auf einem Balken unter dem Dach fanden wir folgende Worte aus den 50er Jahren mit Bleistift geschrieben: ”Die erste Nacht im August, und ich fror wie ein junger Hund”

Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurde der Kårståll stets durch unsere Familie erhalten. Am Gipfel des Mallnock findet sich eine amüsante Anekdote unserer Familie in einer Tafel eingraviert. Sie erzählt von Heinz Hinteregger und seinem Freund, dem Joggele Pepi wie sie mit einer Leiter ausgerüstet, am Gipfel des Mallnock auf Touristen trafen. Die Touristen fragten Sie, was sie denn hier am Gipfel mit einer Leiter vorhatten. Heinz und Pepi gaukelten Ihnen vor, dass sie die Leiter an das Gipfelkreuz lehnen wollten, um den Großglockner erblicken zu können. In Wahrheit waren die beiden natürlich auf dem Weg zum Kårståll um das Dach zu reparieren. Auch heute besteht die einzige Möglichkeit immer noch darin, dass notwendige Holz über die Brunnachhöhe auf den Mallnock zu bringen und dann händisch von oben zum Kårståll herabzuziehen.

Auch Sepp Hinteregger ist einige Male mit dem Metrac (einem kleinen Bergtraktor) samt Schneeketten der Steilheit wegen, im Sommer auf den Mallnock gefahren. Das notwendige Reparaturholz musste er stets händisch zum Kårståll hinab ziehen. Doch mittlerweile hätte es wesentlich mehr Aufwand benötigt als ein paar frische Bretter um unseren alten Almstall erhalten zu können.

Unserer Familie ist es ein großes Anliegen den alten Almstall und auch die weitere Beweidung der Alm zu erhalten.

2016 sollte etwas mehr Bewegung in unser Projekt kommen. Während eines Gespräches mit unserem Stammgast, Frau Prof. Dr. Caroline Jäger-Klein, ihrerseits Professorin für Architektur und Baugeschichte an der Tu-Wien kamen wir auf das Thema Kårståll. Sie schlug vor, eine Masterarbeit über unseren Kårståll auszuschreiben und fand auch sogleich den passenden Studenten für diese Arbeit.

Es folgten einige Besuche durch den Studenten Alexander Nozar welche stets mit herausfordernden Wanderungen zum Kårståll durch das sehr steile Gelände des Schönfelds geprägt waren.

Im Oktober 2018 wurde die Diplomarbeit von DI Alexander Nozar mit dem Titel: “Revitalisierung eines Almstalles im Biosphärenpark Nockberge zum Erhalt der regionalen Baukultur und Kulturlandschaft” fertig gestellt.

Die beeindruckende Arbeit beinhaltet einen Einblick in die geschichtliche Entwicklung des Bergdorfes St. Oswald, der Baukultur der Nockregion und im Speziellen, der von St.Oswald. Sie setzt sich außerdem mit den Wechselwirkungen von Wirtschaft, Umweltschutz und der Gesellschaft auseinander. Weiters geht sie eindringlich auf das Thema Bauen im Hochgebirge ein. Zu guter Letzt, beinhaltet die Arbeit einen Vorschlag, sowie Entwurf zur Revitalisierung. Es geht vor Allem darum, den Karstall sowie dessen Funktionen zu erhalten und vor dem drohenden Verfall zu retten. HIER kann die Diplomarbeit für Interessesierte heruntergeladen werden.

Alexander war aber nicht der Erste, welcher über unser schönes Bergdorf sowie die Region schrieb.

St.Oswald ist eines, der Völkerkundlich best dokumentierten Bergbauerndörfer in Kärnten. Neben den Arbeiten von Oswin Moro „St.Oswald ob Kleinkirchheim“ (1951) und „Volkskundliches aus dem Kärntner Nockgebiet“ (1992) gibt es noch spannende Bücher wie „Die Geschichte von die Hasen” von Malte Olschewski (2007), oder den Bildband „Urgestein” von Dr. Armin Pertl (2007). Weiters wurden bereits 3 Dissertationen über St.Oswald verfasst: Kunstgeschichtlich (WENDEL 1982), Soziokulturell (JAKOVIC) und Pädagogisch (GATTERER 2009).

Nach insgesamt 5 Jahren der Vorarbeit und Planung, freuen wir uns, den neuen Kårståll im Jahr 2021 fertigzustellen.

Im Mai 2021 haben wir den alten Kårståll abgetragen und das noch gute, brauchbare Holz aufbereitet. Es sollte natürlich im und rund um den Kårståll NEU weiterhin seine Verwendung finden.

Der Startschuss für unseren neuen Kårståll ist somit gefallen.

Dank den hervorragenden Baggerarbeiten der Firma Wilpernig auf Afritz am See konnte unsere Quelle oberhalb des Kårstålls mit einem Schreitbagger fachmännisch gefasst werden. Somit ist eine zukünftige Wasserversorgung für die Behirtungsunterkunft und auch unser Vieh gewährleistet.

Dank unserer Helfer konnten wir schließlich das Fundament welches zum Großteil aus Steinen der direkten Umgebung besteht, gebaut werden.

An zwei Terminen im Juni und Juli 2021 haben wir mit der Firma Wucher Helicopter das gesamte Baumaterial samt Werkzeug zum Kårståll geflogen.

Schließlich wurde der neue Kårståll in wunderschön traditioneller Bauweise unter der Leitung der Zimmerei Süssenbacher in einer Rekordzeit von nur 21 Tagen aufgestellt. Er besteht zu 100% aus heimischem Holz, sowie dem alten noch guten Holz des alten Stalles. Die Isolierung besteht aus Flachsfasern. Der Kårståll hat keinen Strom und das Wasser kommt vom Brunnen der eigenen Quelle vor dem Stall. Der Kårståll wird privat bzw. vom Viehhalter genützt und kann leider nicht gemietet werden.

Wir möchten uns an dieser Stelle herzlichst bei allen beteiligten Firmen für die Umsetzung unseres Herzensprojektes bedanken. 

Das Holz des alten Kårstålles findet sich in allen Bereichen des neuen Kårstålles wieder. Seien es Treppen, Möbel, Sichtbalken, der Brunnen oder die schönen Betten welche nun im oberen Stockwerk der Notunterkunft stehen. 

Bis zum Herbst stehen noch einige Arbeiten an und unser Nachbar und Holzkünstler Wilfried Pontasch wird noch weitere einzigartige Möbel aus dem schönen alten Holz des alten Kårstålles zaubern. Schließlich soll man auch Zukunft die Seele des Alten, im neuen Stall spüren, ganz getreu unserer Philosophie Neues mit Altem zu verbinden.

Wir sind zuversichtlich mit unserem neuen Kårståll einen würdigen Nachfolger für den alten Kårståll geschaffen zu haben. Auf dass in den nächsten 200 Jahren hoffentlich auch unsere Nachfahren den Fleiß und die Freude am Erhalt dieses Kulturgutes aufbringen und haben mögen.

Die Umsetzung des Projektes Aussteigen auf Zeit wird im Rahmen des Österreichischen Programms für ländliche Entwicklung – Vorhabensart 19.2.1 gefördert. Der Förderbetrag in Höhe von maximal € 42.000,00 setzt sich aus Mitteln von Bund, Land und der Europäischen Union zusammen.